Standardisierung in der mobilen Robotik: Zwischen VDA 5050 und ISO/DIS 21423

Flexus Redaktion

11. September 2025

Die Automatisierung intralogistischer Prozesse gewinnt rasant an Bedeutung. Fahrerlose Transportsysteme (FTS) und autonome mobile Roboter (AMR) sind längst keine Zukunftsvision mehr, sondern gelebte Realität in vielen Unternehmen. Mit ihrem Einsatz wächst jedoch auch die Herausforderung, diese Systeme unterschiedlicher Hersteller in einem gemeinsamen Umfeld effizient und sicher zu betreiben. Der Schlüssel dafür ist die Standardisierung.

VDA 5050 – Ein praxisnaher Standard mit Geschichte

Mit der VDA 5050 wurde in Deutschland ein Schnittstellenstandard geschaffen, der in den letzten Jahren immer weiter an Bedeutung gewonnen hat. Ziel war es, eine herstellerunabhängige Kommunikation zwischen Flottenmanagementsystemen und mobilen Robotern zu ermöglichen.

Die Schnittstelle hat sich in zahlreichen Projekten bewährt und ist heute in vielen Anlagen im produktiven Einsatz. Ein Beispiel für die Weiterentwicklung ist die Version 2.1.0, die im August 2024 veröffentlicht wurde. Sie brachte unter anderem die Möglichkeit, Korridore festzulegen, in denen Roboter flexibler auf Hindernisse reagieren können. Mit solchen Funktionen zeigt die VDA 5050, dass sie praxisnah weiterentwickelt wird und den Bedürfnissen realer Anwendungen entspricht.

Kurz gesagt: Die VDA 5050 ist kein theoretisches Konstrukt, sondern ein gelebter Standard, der bereits heute echten Mehrwert in der Praxis bietet.

ISO/DIS 21423 – Der Versuch einer globalen Norm

Während die VDA 5050 in Europa etabliert ist, richtet sich der Blick nun auch auf die internationale Ebene. Seit Sommer 2025 befindet sich mit ISO/DIS 21423 ein Entwurf in der Diskussion, der eine weltweit gültige Norm für Kommunikation und Interoperabilität von mobilen Robotern schaffen soll.

Der ISO-Entwurf umfasst rund 78 Seiten und befindet sich aktuell in der sogenannten Enquiry-Phase. Diese Phase ist entscheidend, denn hier wird abgestimmt und kommentiert, ob der Entwurf in seiner jetzigen Form weiterentwickelt werden soll. Erst nach erfolgreichem Abschluss kann sich daraus ein neuer globaler Standard bilden.

Der Fokus liegt auf der Definition von Kommunikationsstrukturen und Interoperabilität. Auffällig ist allerdings, dass Sicherheitsaspekte bewusst ausgeklammert werden – ein Hinweis darauf, dass der Standard zunächst vor allem technische Grundlagen schaffen will.

Noch ist offen, wie stark bestehende und bewährte Standards wie die VDA 5050 berücksichtigt werden. Für viele Unternehmen ist das die entscheidende Frage: Droht hier ein Parallel-Standard, der die Landschaft fragmentiert, oder wird es eine echte Weiterentwicklung geben, die die Erfahrungen aus der Praxis integriert?

Wie entsteht ein ISO-Standard eigentlich – und wie lange dauert es?

Der Weg zu einem ISO-Standard folgt einem klaren Ablauf:

  1. Proposal Stage – Ein neues Thema wird eingebracht und als Normungsprojekt beschlossen.
  2. Preparatory Stage – Expert*innen erarbeiten einen ersten Arbeitsentwurf.
  3. Committee Stage – Der Entwurf wird im zuständigen Komitee diskutiert und angepasst.
  4. Enquiry Stage (DIS) – Internationale Abstimmung und Kommentierung. Hier befindet sich aktuell ISO/DIS 21423.
  5. Approval Stage (FDIS) – Die finale Fassung wird verabschiedet.
  6. Publication Stage – Veröffentlichung als offizieller ISO-Standard.

Dieser Prozess dauert im Normalfall etwa drei Jahre. Selbst beschleunigte Verfahren benötigen noch mindestens zwei Jahre. Für ISO/DIS 21423 bedeutet das: Eine finale Veröffentlichung wäre Ende 2026 oder Anfang 2027 realistisch – bei umfangreichen Kommentaren auch später.

Diskussion in der Branche

Die Fachwelt ist sich uneins. Befürworter des ISO-Ansatzes betonen die Vorteile einer globalen Norm: Mehr Investitionssicherheit, bessere Vergleichbarkeit und einheitliche Rahmenbedingungen für den internationalen Markt.

Kritische Stimmen wiederum warnen davor, die bereits funktionierende VDA 5050 zu vernachlässigen. Diese Schnittstelle sei nicht nur bewährt, sondern bereits heute produktiv im Einsatz – warum also ein komplett neues System etablieren, statt den bestehenden Standard international weiterzuentwickeln?

Zwischen diesen Positionen zeichnet sich jedoch auch eine vermittelnde Sichtweise ab: Standards wie die VDA 5050 und ISO/DIS 21423 könnten sich ergänzen, da sie unterschiedliche Ebenen adressieren. Während die VDA 5050 vor allem die operative Kommunikation zwischen Flottenmanagement und Fahrzeugen abdeckt, könnte ISO als Dachstandard eine globale Harmonisierung schaffen.

Unsere Sicht bei Flexus AG

Für uns bei der Flexus AG ist klar: Interoperabilität ist die Grundlage für effiziente Automatisierung in der Intralogistik. Ein globaler Standard ist grundsätzlich zu begrüßen, aber er darf nicht an der Praxis vorbeigehen.

Die VDA 5050 ist ein Beispiel dafür, wie durch Zusammenarbeit und konsequente Weiterentwicklung ein funktionierender Standard entstanden ist. Doch eines ist ebenso klar: Damit die VDA 5050 ihre führende Rolle behält, muss sie sich künftig noch schneller weiterentwickeln und die Anforderungen aus der Praxis konsequent aufnehmen. Nur so kann sie auch international den Takt vorgeben.

Wir sind überzeugt: Die Branche darf nicht darauf warten, dass ein neuer ISO-Standard erst in einigen Jahren verabschiedet wird. Die VDA 5050 ist heute einsetzbar, bietet messbare Vorteile und entwickelt sich kontinuierlich weiter. Gleichzeitig sollten neue internationale Normen mit bestehenden Lösungen kompatibel sein – nur dann entsteht ein Ökosystem, das das Zusammenspiel unterschiedlicher Systeme wirklich ermöglicht.

Fazit

Die kommenden Monate werden entscheidend sein. Durchläuft ISO/DIS 21423 die Enquiry-Phase erfolgreich und formt sich daraus ein neuer globaler Standard – oder setzt sich die VDA 5050 als internationale de-facto-Norm weiter durch?

Wir bei der Flexus AG sind überzeugt: Die Zukunft der mobilen Robotik liegt nicht im Entweder-Oder, sondern im Zusammenspiel von Standards, die Interoperabilität im Alltag tatsächlich ermöglichen.

Wir freuen uns auf den Austausch: Welche Rolle spielen VDA 5050 und ISO-Standards in Ihren Automatisierungsprojekten?

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