Im Rahmen der digitalen Transformation hört man immer wieder das Schlagwort „Digital Twin“, zu Deutsch Digitaler Zwilling. Die dahinterstehende Idee wird stets beeinflusst durch andere Schlüsseltechnologien der Digitalisierung. In diesem Artikel werden die drei gängigsten Auffassungen eines Digitalen Zwillings sowie die richtungsweisende ISO Norm 23247 für den Digitalen Zwilling in der Produktion behandelt.

Auffassung 1: Der visualisierende Zwilling

Bestehende Automatisierungslösungen in der Industrie sollen mithilfe eines Digitalen Zwillings unterstützt werden – so das Konzept, welches große Aufmerksamkeit erfahren hat. Der Fokus liegt hierbei auf einem (manipulierbaren) 3D-Modell der zu automatisierenden Anlage. Die Vision war, durch Virtual bzw. Augmented Reality eine bessere Haptik für die Nutzung bestehender Automatisierungsframeworks zu schaffen. Kurzum: eine Unterstützung für die Integration und Organisation von Automatisierungen.

Zuletzt entwickelt sich das Bild eines Digitalen Zwillings jedoch weg von einer primär visuellen Repräsentation hin zu detaillierten Simulationen von Fertigungsanlagen, zum Teil ganz ohne Visualisierung rein anhand von Kennzahlen.

Auffassung 2: Der simulierende Zwilling

Gefördert durch immer komplexere und kleinschrittigere Fertigungsprozesse und die daraus resultierende schwerere Erfassbarkeit der Prozesse, stoßen reine Automatisierungsansätze zunehmend an ihre Grenzen. Eben deshalb birgt der „neue“ simulative Digitale Zwilling enorme Potenziale für den Einsatz in der Intralogistik und speziell in Synergie mit einer Leitsteuerung wie dem FlexGuide Transport- und Staplerleitsystem der Flexus AG. Einstellungen der Leitsteuerung können ohne Risiko für das tatsächliche Produktiv-System getestet und optimiert werden. Ebenso wird das aufwendige Erstellen von realitätsnahen Testfällen – soweit möglich – auf ein Minimum reduziert. Selbstverständlich können unabhängig von einer Leitsteuerung Prozessoptimierungen betrieben werden, solange ausreichend Daten erfasst und in einer passenden Simulation zur Verfügung gestellt werden.

Der wesentliche Nachteil eines simulierenden Digitalen Zwillings: Die Einsatzfähigkeit des Zwillings wird durch den Anpassungs- und Detailgrad des Modells vorgegeben.

Das Forschungsprojekt TwInTraSys

Forschungsteam des Projektes TwinTraSys

Genau diese Problemstellung wird im Forschungsprojekt TwInTraSys behandelt. Zusammen mit der OTH Regensburg, der HAWL Landshut, der Simplan AG, der Firma Hipp und der Firma Mann+Hummel erforscht die Flexus AG die prototypische Umsetzung eines generischen Digitalen Zwillings wie zuvor beschrieben.

Auffassung 3: Der repräsentierende Zwilling

In vergangener Zeit findet man zunehmend auch den Leitgedanken der Industrie 4.0 „vernetzte Maschinen“ oder auch „Internet of Things“ (kurz IoT) in der Diskussion über den Digitalen Zwilling wieder. Hierbei entspricht der Digital Twin einer administrativen Instanz einer Produktionsmaschine, welche oft auch als virtueller Agent bezeichnet wird. Die Instanz soll nicht wie zuvor die Produktionsmaschine simulieren oder veranschaulichen, sondern deren Verhalten steuern. Die Planung und Entscheidungsfindung solcher Agenten ist die Schnittmenge zu künstlicher Intelligenz, wodurch zusätzliche Impulse in die Thematik Digital Twin kommen.

Die Abgrenzung zum „Standard“ IoT-Gedanken ist, dass Maschinen nicht nur über eine starke Vernetzung miteinander interagieren, sondern sogar kollaborieren.

Ein Beispiel stellt das Forschungsprojekt FlowPro dar, an dem Flexus ebenfalls teilnimmt. Zusammengefasst erarbeitet das Projektteam ein KI-gestütztes Agentensystem, das intralogistische Transporte mittels einer Flotte von Fahrerlosen Transportfahrzeugen (FTF) – den Agenten – optimiert. Eine detailliertere Erklärung des Projektumfangs finden Sie im Beitrag FlowPro – Automatisierte Transporte für die SAP Logistik von Morgen.

Die ISO Norm 23247: Automation systems and integration – Digital twin framework

Bei der ISO Norm handelt es sich um eine Normierung der System-Architektur, also des technischen Aufbaus eines Digitalen Zwillings. Dementsprechend agnostisch ist die Norm gegenüber den eigentlichen Funktionen, die der Digitale Zwilling in der Anwendung erfüllt. Zu den aufgeführten Funktionen zählen beispielsweise „Real time control“, „Virtual testing“ und „Synchronous monitoring“, somit sind alle der beschriebenen Auffassung durch die Norm abgedeckt.

Allerdings sieht die Norm eine enge Kopplung des Digitalen Zwillings an das reale System vor. Dies soll in Form eines Feedback-Loops stattfinden, der regelmäßig die aktuellen Lastdaten an den Digitalen Zwilling übermittelt und für Aktualität sorgt. Anhand dieser Anforderung der Synchronität und engen Vernetzung kann man erahnen, dass ein Digitaler Zwilling in Zukunft immer weniger einer bloßen Visualisierung entspricht, sondern eher einer synchron laufenden Simulation, die zusätzlich Möglichkeiten zur Prozesssteuerung bietet bzw. dort unterstützt.

Fazit

Allein durch seine mannigfaltigen Ausprägungen und stetige Evolution des Verständnisses eines Digitalen Zwillings werden wir dieses digitale Familienmitglied immer öfter im operativen Einsatz wiedersehen. Hierbei hat jede der beschriebenen Auffassungen ihre Daseinsberechtigung und Einsatzgebiete. Die Tendenz wird in Zukunft jedoch wahrscheinlich hin zu synchronen Simulationen gehen – also eine Mischung der letzten beiden Auffassungen, da erst diese komplexe Anlagen gut abbilden und gleichzeitig den Entwicklungs- und Anbindungsaufwand rechtfertigen. Gleichzeitig kann auf Grundlage dieser Simulationen immer noch eine Visualisierung oder Auswertung erfolgen.

Bestätigt durch die Teilnahme an den genannten Forschungsprojekten lässt die Flexus AG diese Innovationen nicht unbeachtet an sich vorbeiziehen. Wer sich für das Thema interessiert, sollte also diesen Blog im Auge behalten.


Autor – Dominik Grasser

KI Entwickler

Im Rahmen seiner Tätigkeit bei Flexus optimiert er mit den passenden Optimierungsalgorithmen die Intralogistik unserer Kunden. Dies findet vor allem Anwendung bei der Optimierung von Staplern, Routenzuglogiken und der effizienten Steuerung von AGVs.