Unternehmen setzen in der Logistik immer häufiger fahrerlose Transportfahrzeuge ein, um zum einen kosteneffizienter transportieren zu können, aber auch, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. In den seltensten Fällen können dann aber ganze Hallen mit all dem Warenstrom auf einmal automatisiert sowie das Verkehrsmanagement optimiert werden. Viel mehr gibt es fast immer hybride Flotten aus manuell bedienten Fahrzeugen wie Gabelstaplern oder Routenzügen und mobilen Robotern.

Verkehrsmanagement durch Leitsysteme

Verkehrsmanagement zwischen manuellen und automatischen Fahrzeugen_Kreuzung

Überall da, wo mehrere Fahrzeuge am Verkehr teilnehmen, ist es wichtig, diesen an Kreuzungspunkten zu regeln. Das gilt für den öffentlichen Straßenverkehr genauso wie für den innerbetrieblichen Transport. Im Straßenverkehr haben Kreuzungen immer sehr klare Regeln: rechts vor links, Schilder oder Ampeln regeln den Verkehr. In Logistik- und Produktionshallen gelten auch Verkehrsregeln, an die sich die Mitarbeiter halten. Häufig ist aber ein „First come first serve“-Prinzip an Kreuzungen gegeben, welches – auch aufgrund der geringeren Geschwindigkeiten als im Straßenverkehr – erstaunlich gut funktioniert, da sich die Mitarbeiter durch Augenkontakt und Handzeichen untereinander einigen.

Kommen fahrerlose Transportfahrzeuge ins Spiel, besitzen diese nicht die kognitiven Fähigkeiten von Menschen, was das Verkehrsmanagement erschwert. Denn sie müssen anhand ihrer Sensoren und Aktoren sowie einer übergeordneten Steuerung den Verkehr untereinander regeln. Letztere hat die Aufgabe, Fahrzeuge sicher dort anzuhalten und weiterfahren zu lassen, wo sie sich begegnen würden. Zwar verhindern die Schutzsensoren der Fahrzeuge, dass sie ineinander fahren, allerdings kann dies auch sehr häufig zu Deadlocks führen. Hierbei wartet jedes Fahrzeug darauf, dass das Schutzfeld wieder frei wird, um weiterfahren zu können.

Daher besitzen Leitsteuerungen für fahrerlose Transportfahrzeuge Funktionen fürs Traffic Management, um solche Situationen nicht entstehen zu lassen. Diese können vom einfachen „Stopp- / Weiter-Befehl“ vor Kreuzungen bis hin zur dynamischen Routenplanung anhand von Verkehrsaufkommen und aktuellen Gegebenheiten verschiedene Ausbaustufen enthalten.

Komplexes Verkehrsmanagement zwischen Mensch und Roboter

Allerdings kann der Verkehr nur untereinander für alle fahrerlosen Fahrzeuge, die am Leitsystem angemeldet sind, durchgeführt werden. Ein hybrides Verkehrsmanagement mit manuellen Fahrzeugen ist aufgrund des Fehlens von Sensoren normalerweise nicht möglich. Daher gilt in den meisten Firmen die Regel: der Roboter hat Vorfahrt und der Mensch muss ihn passieren lassen.

Das ist allerdings nicht immer die beste Regel: hat der Gabelstapler einen eiligen Auftrag und muss an einer Kreuzung lange auf einen mobilen Roboter warten, kann der Auftrag verspätet ankommen. Auch ist die Wartezeit für den Menschen nicht besonders angenehm und kann zu Ungeduld und Unzufriedenheit führen. Hier stellt sich also die Frage, was für ein Verkehrsmanagement nötig ist, welches sowohl manuelle als auch automatische Fahrzeuge berücksichtigen kann.

Verkehrsmanagement zwischen manuellen und automatischen Fahrzeugen_AGV

Mögliche Konzepte zur Regelung des Verkehrs

Für das Verkehrsmanagement innerhalb eines Lagers gibt es verschiedene Ansätze, die unterschiedlich komplex sind und mehr oder weniger Effizienz versprechen.

1. Live-Tracking von manuellen Fahrzeugen ohne Auftragsinformation

In diesem Szenario sind die manuell bedienten Fahrzeuge mit einem Live-Tracking System ausgestattet, das die Position des Fahrzeugs auf einer Werkskarte laufend erfasst und dem Leitsystem mitteilt. Dies können verschiedene Technologien umsetzen: Laserortung, Funkortung, GPS, Kameraortung, etc. Je nach eingesetzter Technologie ist die Genauigkeit von wenigen Zentimetern bis zu einigen Metern möglich. Das Fahrzeug ist jedoch nicht an die Auftragsvergabe des Leitsystems angeschlossen, wodurch nicht bekannt ist, wohin das Fahrzeug fährt.

Das Leitsystem empfängt diese Koordinaten nun und baut um das Fahrzeug herum eine Sperrzone auf, die einige Meter betragen kann. Nähert sich jetzt sowohl ein manuelles als auch ein automatisches Fahrzeug einer Kreuzung, wird das automatisch fahrende Fahrzeug gestoppt, sobald es sich in der Sperrzone des manuellen Fahrzeugs befindet. Dies kehrt die Vorfahrtsregelung nun um: da das manuell fahrende Fahrzeug im Gegensatz zum automatischen nicht durch ein externes System gestoppt werden kann, hat dieses nun immer Vorfahrt und das automatische wird gestoppt.

Da das Leitsystem aber nicht weiß, wohin das manuelle Fahrzeug fährt, wird das automatische immer anhalten, wenn es in die Sperrzone kommt. Selbst wenn beide Fahrzeuge aneinander vorbeifahren könnten, wird es zum Stopp des automatischen Fahrzeugs kommen. Dies führt zu deutlichen Verzögerungen aufgrund vieler Haltebefehle.

2. Auftragsinformation von manuellen Fahrzeugen ohne Live-Tracking

Im zweiten Szenario bearbeiten die manuellen Fahrzeuge über ein Leitsystem Fahraufträge an einem mobilen Terminal. Das Leitsystem weiß also, wo das Fahrzeug einen Auftrag abholen und wo es diesen hinbringen muss. Allerdings ist kein Live-Tracking vorhanden, sodass das Leitsystem nicht weiß, wo genau sich auf der Strecke das Fahrzeug befindet. Aus diesem Grund wäre es hier lediglich möglich, alle automatisch fahrenden Fahrzeuge an den Kreuzungspunkten mit dem Pfad der manuellen Fahrzeuge anzuhalten, auch wenn sich diese noch gar nicht an der Kreuzung befinden oder diese bereits passiert haben.

Das Zeitfenster lässt sich verkürzen, indem eine Durchschnittsgeschwindigkeit für das manuelle Fahrzeug ermittelt und entsprechend der vergangenen Zeit nur ein gewisser Teil der Strecke gesperrt wird. Abweichungen davon führen aber zu Ungenauigkeiten, die doch wieder zur Situation des Aufeinandertreffens führen können. Auch geht das Leitsystem davon aus, dass das manuelle Fahrzeug die kürzeste Strecke zwischen zwei Punkten fahren wird. Dies entspricht in der Realität nicht immer der Wahrheit. Vor allem, wenn mehrere Wege ähnlich lang sind, wählt der Mensch nie mit 100-prozentiger Sicherheit den absolut kürzesten, was das komplexe Verkehrsmanagement beeinflusst.

3. Live-Tracking von manuellen Fahrzeugen mit Auftragsinformation

Dieses Szenario kombiniert das Live-Tracking mit Auftragsinformationen. Das Leitsystem weiß also jederzeit, wo die Fahrzeuge sich befinden und wohin sie fahren. Damit verhält sich das manuelle Fahrzeug fast wie ein automatisch fahrendes, wodurch eine nahtlose Einbindung in das Verkehrsmanagement möglich ist. Selbst Abweichungen der Strecke von der ursprünglich errechneten wie im zweiten Szenario können abgebildet werden, da der Weg abhängig von der Live-Koordinate immer wieder neu berechnet wird. Dieses Szenario bietet die höchste Effizienz, da tatsächlich immer nur dann eingegriffen wird, wenn sich die Wege zu kreuzen drohen. Es besitzt aber auch die höchste Komplexität.

Fazit: Hybrides Verkehrsmanagement braucht Praxiserfahrung

Alle drei genannten Varianten kehren die Vorfahrtssituation um: das automatisch fahrende Fahrzeug würde immer anhalten und das manuell bediente Fahrzeug durchfahren lassen. Die Alternative dazu ist nicht einfach umzusetzen: das manuelle Fahrzeug benötigt ein Signal, dass es an einer Kreuzung anhalten muss. Es ist denkbar, auf das Terminal, das sich im Fahrzeug befindet und worüber der Fahrer sonst die Auftragsinformationen erhält, eine optische Anzeige eines Haltebefehls zu schicken.

Allerdings befindet sich das Terminal nicht immer im Blick des Fahrers, wodurch er das Signal übersehen kann. Ein akustisches Signal ist in lauten Umgebungen auch nicht praxistauglich. Man könnte sich stattdessen am Straßenverkehr orientieren und Ampeln an Kreuzungen aufstellen. Allerdings benötigt jede Kreuzung eine solche Ampel, die zudem auch noch an das Leitsystem angeschlossen sein muss.

Die Konzepte zeigen, dass ein hybrides Verkehrsmanagement mit den heute vorhandenen Technologien möglich ist. Der konkrete Nutzen wird sich allerdings in ersten Praxisbeispielen noch beweisen müssen.


Autor – Christian Zerbes

Head of Transport Systems

Im Rahmen seiner Tätigkeit bei Flexus setzt er erfolgreich Projekte im Bereich Transport Systems um. Projekte reichen von der Implementierung eines einfachen Staplerrufsystems bis zur volldynamischen Steuerung unterschiedlichster Ressourcen wie Routenzüge, Stapler oder fahrerlose Transportsysteme