KPIS und ihr Mehrwert
Die Digitalisierung industrieller Prozesse wie in der Logistik generiert große Datenmengen. Diese bleiben allerdings meist ungenutzt, obwohl anhand dieser Daten Einblicke in die Prozesse gewährt und Optimierungspotentiale aufgedeckt werden können. Die unbehandelten und ungefilterten Daten nennt man Rohdaten, welche oft interessante Informationen zum Prozess-Monitoring beinhalten. Sie lassen sich ohne zusätzliche Verarbeitung aber weder vergleichen oder bewerten. Deshalb ist es besonders wichtig, aus den angesammelten Rohdaten verdichtete und vergleichbare Daten zu akquirieren. Dabei handelt es sich um sogenannte Kennzahlen oder KPIs (Key Performance Indicator).
Diese Kennzahlen ermöglichen es, dass nach kurzer Einarbeitung und mit guter Dokumentation auch Endbenutzer des Systems Zusammenhänge und das Verhalten des Gesamtsystems verstehen und bewerten können. Das Wissen eines Key-Users wird dazu nicht mehr benötigt, wenn die Rohdaten entsprechend aufbereitet sind.
Beitragsreihe zum spannenden Thema Kennzahlen in der Logistik
Wir möchten Ihnen in den kommenden Wochen einen detaillierten Einblick in die Welt der KPIs und in unser Forschungsprojekt FML – MuCRoute mit der TU München bieten. Daher haben wir unterschiedliche Beiträge zum Thema Kennzahlen vorbereitet, die jeweils andere Schwerpunkte behandeln. Freuen Sie sich unter anderem auf Antworten zu folgenden Fragestellungen:
- Wie werden KPIs ermittelt und wie baut man diese auf?
- Welche Techniken wurden für die Erstellung, Ermittlung und Visualisierung im Forschungsprojekt eingesetzt?
- Welche Plattformen können Kennzahlen darstellen?
- Was sagen unsere Kunden zu den KPIs?
- Welche KPIs empfinden wir als wichtig im Bereich der Logistik?
Wir starten heute mit allgemeinen Informationen zum Thema KPIs. Was ist darunter technologisch zu verstehen und wie kommen sie im Speziellen in der Logistik zum Einsatz?
KPIS In der (Intra-) Logistik
Neben den Kennzahlen aus eigenen SAP Modulen wie beispielsweise SAP WM oder SAP EWM, ist auch das Flexus-eigene FlexGuide Transportleitsystem eine Quelle für detailliertere Rohdaten – im Speziellen zu Transportbewegungen.
Durch die unterschiedlichen Ressourcentypen, also Fahrzeugarten wie Stapler, fahrerlose Transportsysteme oder Routenzüge, erhält man interessante Auswertungen. Darüber hinaus können die unterschiedlichen ausführenden Ressourcen detailliert analysiert werden. Aufgrund der Fahrwege kann die Auslastung bzw. die Lastverteilung der Ressourcen dargestellt und beobachtet werden.
Innerhalb dieser Fahrwege sind zusätzliche Leerfahrten interessant. Durch diese lässt sich ableiten, welche Optimierungspotentiale die Lageraufteilung birgt. Zum Beispiel wird festgestellt, dass nur Material in eine Richtung fließt und somit der Rückweg immer leer gefahren werden muss. Insgesamt lässt sich mit Fahrwegen, Leerfahrten und Auslastungsgraden die Ressourcenauslastung berechnen.
Zusätzlich kann das Transportleitsystem auf der Ebene der Transportbewegungen analysiert werden. Hierfür bietet es sich an, Fahraufträge, die den Transport von Gütern dokumentieren sowie deren Änderungshistorie, als Datengrundlage zu nutzen. Ist bei Fahraufträgen eine Fälligkeit – ein Zeitpunkt, zu dem das Transportgut am Zielort benötigt wird – hinterlegt, ist diese Fälligkeit meist verpflichtend einzuhalten. Andernfalls kann es im schlimmsten Fall passieren, dass Material und Maschinen nicht weiter produzieren können. Deshalb ist eine der wichtigsten KPIs die Liefertreue, die beschreibt, wie viel Prozent der Aufträge innerhalb der angegebenen Fälligkeit an ihren Zielplätzen angekommen sind. Hierbei ist aber nicht jeder Auftrag gleich zu behandeln. So ist das Einhalten von Fälligkeiten bei Rohmaterialien, die in der Produktion benötigt werden, deutlich höher als die Fälligkeiten von Leergütern, die gesetzt werden, damit die Produktion mit Leergütern nicht überläuft.
Um die Reaktionsgeschwindigkeit der Logistik zu messen, ist die Bearbeitungsdauer der Aufträge zu betrachten. Hierbei wird von der Zeit, die zwischen Anlage und Beenden des Auftrags verstreicht, gesprochen. Ebenso können Zeiten wie die Dauer, in der ein Gut bereitgestellt ist, bis es verfahren wird, für Teilschritte und -prozesse von Bedeutung sein. Damit können Prozesse wie die Vorlaufzeit, die für die Bereitstellung von Gütern benötigt wird oder wie groß Pufferplätze ausgelegt sein sollten, besser geplant werden. Zusätzlich kann über den Fahrauftragspool beobachtet werden, wie viele Aufträge zu jedem Zeitpunkt aktiv waren. So wird überwacht, wann Auftragsspitzen auftreten, damit für zukünftige sehr ausgelastete Schichten mehr Arbeitsressourcen eingeplant werden können. Dadurch können Auftragsspitzen abgefedert werden, ohne dass es zu Komplikationen kommt.
Wenn ein Prozess vom Standardprozedere wie beispielsweise manuellen Quittierungen, Änderungen von Ladungsträgern oder Zielplätzen abweicht, ist dies ein Indikator für Differenzen zwischen dem Konzept, den Prozessen und deren Umsetzung. Dies kann auf Missstände aufmerksam machen, die die Gesamtproduktivität hemmen. Ebenso sind Störungsmeldungen bei Aufträgen ein Warnungsindikator. Wenn beispielsweise bei einem Transportweg immer die Störung „Transportschaden“ gemeldet wird, kann überprüft werden, ob der Weg Schäden aufweist oder ob das Gut für einen Stapler nicht ausreichend gesichert ist.
Kennzahlen richtig interpretieren und verwenden
Wie bereits erwähnt, sollte man KPIs nicht ohne Kontext betrachten, da sonst falsche Schlussfolgerungen gezogen werden. Die Ressourcenauslastung ist hierfür ein gutes Beispiel. Betrachtet man die Konstellation, dass Güter stets von Halle A nach Halle B gefahren werden, aber niemals etwas von Halle B nach Halle A geliefert wird, ergeben sich auf dem Rückweg zwangsläufig Leerfahrten. Gäbe es keine weiteren Hallen und Prozesse, wären circa die Hälfte der zurückgelegten Wege Leerfahrten und die Ressourcenauslastung würde maximal einen Wert um 50 Prozent erreichen.
Ein ähnliches Bild zeigt sich hinsichtlich der Liefertreue. Diese kann in unterschiedlichen Zeitspannen abweichende Ergebnisse liefern. So wird sich die Liefertreue in Phasen der Volllast innerhalb der Produktion erhöhen, im Gegensatz zu Zeitspannen, in denen beispielsweise ein Schichtwechsel stattgefunden hat.
Durch eine insgesamt große Menge an Fahraufträgen und eine beachtliche Zeitspanne werden lokale Auftragsspitzen und die damit verbundenen Fälligkeitsverletzungen kaschiert. Wurde dieses Muster erkannt, kann der Schichtwechsel asynchron durchgeführt und ein zusätzlicher Mitarbeiter für die Auftragsspitze eingeplant werden. Ebenso ist eine Filterung von Fahrauftragsarten, Ressourcentypen oder bestimmten Start- oder Zielgebieten sinnvoll, um Abweichungen bzw. Verhalten abzubilden.
Kennzahlen zu individuellen Prozessen
Abseits der bisher beschriebenen allgemeinen KPIs können auch prozessspezifische Kennzahlen auftauchen. Ein Paradebeispiel hierfür ist der Routenzug. Hierbei handelt es sich um eine Zugmaschine, die mehrere Fahraufträge gleichzeitig transportieren kann. Diese Verknüpfung mehrerer Fahraufträge in einer vorgegebenen Reihenfolge nennt man Tour. Neben den bereits genannten KPIs kann zusätzlich beobachtet werden, ob es zeitliche Abweichungen zum eigentlichen Startpunkt gibt oder ob die Touren länger oder kürzer dauern. Zudem informieren Abweichungen zur vorherigen Planung, ob das System gut eingestellt ist oder ob zwischen Geplantem und Umgesetztem Diskrepanzen existieren. Dies wurde unter anderem im Forschungsprojekt MUC Route in Kooperation mit der TU München ausgewertet und in einem Kennzahlen-System für den Routenzug umgesetzt. Das wird in einem der nächsten Beiträge zu diesem Themengebiet genauer beleuchtet.
Weiterhin gibt es neben den Ressourcen-spezifischen auch noch weiterführende, für jeden Kunden spezifische Kennzahlen, die einen Prozess oder Logistikaspekt abbilden. Ein gutes Beispiel hierfür sind Kennzahlen zur Produktionsversorgung, die beispielsweise über eine Verknüpfung in den WM-Transportauftrag einen speziellen Nachlagerbereich aufweisen und über diesen klassifiziert werden können. Hier sind auch Sie gefragt, gibt es Kennzahlen, die Sie erheben wollen, aber aktuell nicht können? Kontaktieren Sie uns gerne!
Freuen Sie sich in spannenden Folgebeiträgen über weitere Informationen zu Kennzahlen innerhalb der Logistik und deren Potenzialen. Im kommenden Beitrag werden wir insbesondere auf die Vorgehensweise im Forschungsprojekt FML eingehen. Wir erläutern Ihnen, wie wir die KPIs ermittelt und aufgebaut haben!
Autor – Jonathan Hohm
Data Analyst & KI Entwickler
Im Rahmen seiner Tätigkeit bei Flexus optimiert er mit den passenden Optimierungsalgorithmen die Intralogistik unserer Kunden. Dies findet vor allem Anwendung bei der Optimierung von Staplern, Routenzuglogiken und der effizienten Steuerung von AGVs.